Entwicklung von Coyote

Coyote ist ein charmantes Bluffspiel, dessen Grundprinzip schon lange bekannt ist. Welche Überlegungen und Änderungen hinter dem Kartenspiel stecken, beschreibt euch unser HeidelBÄR-Spieleentwickler Roland.

Zum Autor Spartaco Albertarelli

Mit Autor und Verleger Spartaco Albertarelli haben wir schon in Zeiten des alten Bären mehrfach erfolgreich zusammengearbeitet. Er ist bekannt für einfache, klare Spielkonzepte mit hohem Aufforderungscharakter.

Sein Category wurde bei uns zu Tags einer erfrischenden, blitzschnellen StadtLandFluss-Variante mit Murmeln in der Box und Sherlook aus seinem Verlag Kaleidos Games bekam eine deutsche Ausgabe.

Auf der Spiel in Essen traf sich Heiko regelmäßig mit Spartaco, wobei die Idee reifte eine Neuauflage von Coyote zu machen. Einfach nur ein neues Logo auf Coyote zu kleben, schien uns nicht Erfolg versprechend, da selbst Ravensburger so nicht langfristig erfolgreich war. Unser Anspruch und Auftrag war Coyote spielerisch aufzufrischen und mit neuem, erwachsenerem Design zu punkten, ohne am Kern etwas zu ändern.

Erster Kontakt

Schon in meiner ersten Zeit als Spieleautor fiel mir Coyote auf. Um die Jahrtausendwende als ich mit meinem Schwager Tobias anfing Rauten-Spiele zu entwickeln, las ich viele alte Zeitschriften – Spielbox, Fairplay, Pöppelrevue – und vergrub mich jedes Jahr in den wunderbaren analogen Kult-Katalog von „Adam spielt“, dem größten Spiele-Versender der Vor-Internet-Zeit.
Stirnbänder und Federn sprangen mich an. Als ich jetzt zu hause nach einem alten Coyote suchte, habe ich 3 verschiedene in diversen Ecken und Regalen entdeckt (Coyote Erstauflage von Kidult 2003, Pow Wow von Ravensburger). Das Konzept muss mich wohl sehr beeindruckt haben. Vielleicht lag es aber auch nur an schönen Abenden auf Blockseminaren im Kleinwalsertal, wo wir stundenlang „Wer bin ich?“ mit Post Its spielten.

Gemischte Erinnerungen

Spielerisch sind meine Erinnerungen an Coyote gemischt. Manchmal wunderbare Lacher, schön böse Blicke und nette fette Bluffs. Manchmal chancenloses Ausscheiden oder Siege ohne einen feinen eigenen Spielzug oder Diskussionen um die Reihenfolge von Effekten und doppelte Negationen.

Diskriminierung

Die früheren Auflagen von Coyote hatten großteils einfache, klischeehafte, comicartige Darstellungen von amerikanischen Ureinwohner.
In der deutsche Wikipedia gibt es noch einen Eintrag „Indianer„, in der englischen heißt er „indigene Bevölkerung Amerikas„. Beide beschäftigen sich zu recht kritisch mit der Bezeichnung und der Darstellung dieser Bevölkerungsgruppe.

In der 3. mehrsprachigen Ausgabe 2011 von Gigamic sind derartige Darstellungen von der Schachtel verschwunden, das Tier „Coyote“ ist geblieben.
Meine Gigamic Ausgabe von 2010 hatte sah noch anders aus:

Außerdem gibt es eine traditionelle amerikanische Pokervariante – „Blind man’s bluff“ -, die früher unter folgenden Namen bekannt war: „Indian poker“, „squaw poker“, „Oklahoma forehead“ oder „Indian head“. Das ist relevant für Coyote, da ebenfalls mit verdeckten Karten auf der Stirn gespielt und geblufft wird.

Federn am Kopf sind dagegen unproblematisch. Sie werden in sehr vielen Kulturen als Schmuck oder Zeichen genutzt:

Es war uns eine Herzensangelegenheit auf diskriminierende Darstellungen zu verzichten, aber gleichzeitig eine Bezug zum indigenen Setting von Coyote zu behalten.

Wir hoffen, durch die Zusammenarbeit mit der Künstlerin Zona Evon Shroyer, die selbst eine Yupik Alaskan Native ist, ist dies gelungen.
Unsere Grafikerin Marina Fahrenbach wird noch genauer darauf eingehen.

Ziele bei der Entwicklung

Für alle die Coyote nicht kennen hier der Kern: Jeder Spieler bekommt eine Feder an die Stirn mit einer Zahl darauf. Jeder kennt somit alle Federn außer der eigenen. Nun wird reihum ansteigend auf die Summe alle Federn gewettet, bis ein Gebot angezweifelt wird. Wer falsch lag, verliert ein Leben.

Im Grundspiel des alten Coyote war es eine sehr erfolgreiche Strategie als erster Spieler eine extreme Ansage zu machen, insbesondere wenn der Nächste eine kleine oder gar eine negative Zahl hat. Zweifelt der Zweite nicht an, wird er vom Dritten erlegt. Im Extrem war ein Spieler raus, bevor jeder einmal dran war. Runden bei denen die Gebote mehrmals um den Tisch gingen waren viel spannender.

Wie konnten wir diese Strategie abschwächen und längere Runden fördern? Da immer nur 2 Spieler an einer Herausforderung (Ansage und Anklage) beteiligt sind, war bei hoher Spieleranzahl außerdem die allgemeine Aufmerksamkeit gering. Wir wollten mehr Spieler am Spielgeschehen beteiligen.

Recherche zu Ratespielen

Inzwischen hatte Matthias Wagner als Redakteur bei uns angeheuert. Wir testeten, spielten, variierten viele Male. Auf unserem wöchentlichen Spieleabend kamen einige bekannte ältere und neuere Ratespiele auf den Tisch.

Neben den traditionellen Spielen Wer bin ich? und 20 questions ist wohl das berühmteste Egghead von Robert Abbott und sein Nachfolger Code 777 von Robert Abbott und Alex Randolph.

Beide sind ordentlich in die Jahre gekommen. Sie haben zwar einen starken Aufforderungscharakter durch das Material, aber die eigentliche Deduktion ist umständlich und oft frustrierend. Manchmal leicht, manchmal zufällig, manchmal unmöglich.
Wir haben versucht ähnliche Fragen in Coyote zu implementieren: Habe ich eine gerade Zahl? Wie viele positive Karten siehst du? Ist meine die kleinste Zahl? etc. Coyote wurde langsamer und verkopfter, aber nicht gut.
Mit einem kooperativen Ansatz wie in The Shipwreck Arcana oder Raten in Teams mit unterschiedlicher Information wie bei Decrypto kamen wir auch nicht weiter.

Der mechanische Kern: Die Federn

Coyote 2003 von Kidult hatte 3 negative Federn und 23 mit Zahlen von 0 bis +25 in verschiedener Häufigkeit und 4 Effektkarten mit fixer Reihenfolge:

  • Fragezeichen
  • Max = 0
  • Max minus
  • x2

Die Berechnung der Summe ist manchmal schwierig, insbesondere wenn mehrere Effekte und negative Zahlen ausliegen.

Pow Wow 2006 von Ravensburger hatte 32 Federn mit Zahlen von -10 bis +20, und nur 3 Federn mit Effekten:

  • Fragezeichen
  • Max = 0
  • x2

Die Berechnung in Pow Wow ist leichter und weniger Fehleranfällig. Die Reihenfolge der Effekte fühlt sich natürlicher an. Das seltene Auftauchen der Effekte gefiel uns aber nicht, da gerade diese für Emotionen sorgen. Außerdem konnten in beiden Versionen Federn siegbringend memoriert werden, da sie erst nach 3 bis 4 Runden neu gemischt werden.

Weniger ist mehr


Wir reduzierten die Anzahl der Zahlenfedern, um ein ähnliches Verhältnis von Zahlen zu Effekten zu haben wie bei der Kidult-Version.
Wegen der geringen Anzahl müssen die Federn jetzt nach jeder Runde gemischt werden, was den Vorteil für Memorierer*innen der wichtigen Federn (Negative und Effekte) aushebelt.
Wir verzichteten auf die x2-Feder, erstens weil sie die Varianz stark erhöht und zweitens weil so garantiert ist, dass mindestens eine positive Zahl im Spiel ist und es keine Diskussionen um den Max-0-Effekt gibt.

Die Spezialeffekte

In älteren Coyote Versionen gibt es verschiedene Spezialeffekte, von denen man zufällig  einen erhält und einmal einsetzen kann:

Ravensburger 2006 hatte:

  • Zustimmen: Gleiche Zahl ansagen
  • Richtungswechsel
  • Zusatzfeder für einen Mitspieler (max 1 pro Spieler)

Kidult 2003 hatte außerdem:

  • Verdoppeln: Doppelte Ansage verdoppelt den Einsatz.
  • Ändern: Der vorherige Spieler muss seine Ansage ändern.
  • Weitergeben: bestimmen wer am Zug ist.

Spartaco hat uns noch mehr Ideen genannt z.B.:

  • Perfekte Ansage
  • Immer positiv
  • Min = Max

Wir haben alle mehrfach getestet, hatten viel Spass, wollten uns aber fokussieren.

Mehr verdeckte Information

Am spannendsten fanden wir die Zusatzfeder, weil sie das Gesamtergebnis durchschnittlich um 5 erhöht und somit, wenn sie eingesetzt wird, zu einer Verlängerung der Bietrunde mit einer steigenden Spannungskurve führt. Allerdings war die Extrafeder, falls sie negativ war, für denjenigen, der sie an die Stirn bekam, meist tödlich. Weshalb sie zwingend der nächste Spieler bekam. Daher ist sie bei uns jetzt immer dabei, liegt aber verdeckt für alle in der Mitte. Wer sie ansehen will, muss erhöhen. Die verdeckte Information beim Start hat sich so bei uns verdoppelt (eigene Feder und Feder in der Mitte) und hat einen Erwartungswert von 10 statt vorher etwa 5.

Catch up

Was uns noch fehlte, war ein positiver Mechanismus für den Verlierer einer Runde.
Wir wollten, dass er sich in der nächsten Runde stärker fühlt. Mit der Coyote-Karte bekommt er die Möglichkeit eine weitere verdeckte Karte zu spielen, die nur er kennt. Der Erwartungswert der Summe steigt um 5 und er kann relativ sicher erhöhen. Die Runde wird länger, schön.

Beteiligung aller

Außerdem wollten wir, dass alle Spieler emotional an der Entscheidung jeder Runde beteiligt sind. Nicht nur zwei. Wir testeten mehrere Wett-Tracks, auf denen alle Spieler markierten, welches Ergebnis sie erwarteten. Belohnungen und Strafen für Über- und Unterbieten fanden statt. Oder man konnte durch Bezahlen dem Höherbieten-Müssen entgehen. Das war mal wieder alles schön verkopft und führte zu offensichtlicher Verwirrung. Ab in den Müll. Schließlich haben wir eine schlichte Fingerzeig-Wette auf den Sieger eingebaut. Tippt man richtig, bekommt man einen Bonus, der die eigenen Chancen in der nächsten Runde erhöht.

Last man standing

Spielerelimination ist oft ein Totschlagargument, wenn eine Spielidee vorgestellt wird: Geht nicht! Muss raus! Coyote ist ein geradezu klassisches Last-woman-standing-Spiel. Also mussten(!) wir es ändern. Monatelang spielten wir mit diversen Wertungssystemen: Punkte für Wetten, Punkte für genaue Ansagen, Punkte für möglichst knappe richtige Anklagen, fixe Rundenzahl, fixe Spielende-Siegpunkte-Zahl etc.
Wir testeten es einmal so mit Spartaco auf Tabletopia. Er fand es einfach schrecklich. Dabei war alles total logisch, bloß der Spaß war dahin. Also zurück auf Null, genauer: Alle minus einen: tot. Und Cowboystiefel am Tisch sind Pflicht.

Stirnband? Standees!

Auf Fotos sehen die Bänder meist toll aus. Am Tisch kratzen oder stinken sie manchmal und sie quetschen Frisuren. Im Ernst: Sie sind eine sehr teure Komponente und sie erzwingen eine größere Schachtel als die von Spicy.

Seit ein paar Jahren gibt es eine japanische Version nur mit Karten von New Games Order.

Alle halten ihre Karte einfach vor sich hoch, wie es auch beim Blind man’s bluff und wie es oft in einer ersten Wizard-Runde gemacht wird. Sicher die günstigste Alternative, aber beim lockeren Halten schummelt Mensch häufig, mit oder ohne Absicht, was eine Runde sofort kaputt macht. Code 777 hatte bereits gezeigt, wie man mit sehr chicken Ständern und 3 verdeckten Karten spielt.

Da in Coyote immer nur eine Karte aufgestellt wird, boten sich einfachere kleine Standees an. Ludofact schickte eine Tüte mit Mustern.

Wir entschieden uns für das Design von Letter Jam – elegant und schlicht:

Tests mit 6 Stück im Schachteleinsatz von Spicy klappten.
Nur die Schlitzweite musste im Vergleich zu Letter Jam etwas größer sein, weil unsere Radiant-Karten dicker sind

Zum guten Schluss

Seit 2020 steht unser Coyote jetzt im Fachhandel. Der traditionelle Grafikstil und die kompakte kupfern glänzende Schachtel kommen sehr gut an. Die Karten haben eine wunderbare strahlende Oberfläche. Inwieweit sich die spielerischen Veränderungen und Ergänzungen mit verdeckter, erspähbarer Karte und dem Verlierer-Trickster durchsetzen, wird die Zeit zeigen.