Erik A. SundénHeidelBÄR-NewsInterviewsNewsUnsere Autoren
INTERVIEW: Erik Andersson Sundén
Erik Andersson Sundén, geboren 1979 in Schweden, ist angewandter Atomphysiker und Spieleentwickler. Er spielt und entwickelt Spiele, solange er sich erinnern kann. Früher entwickelte er RPG-Inhalte für seine Freunde und in den letzten 10 Jahren dann regelmäßig Brett- und Kartenspiele. AEG veröffentlichte jüngst sein Spiel Whirling witchcraft (Wirbelnde Hexerei) und nun erscheint von ihm Hungry Monkey (Hungriger Affe) bei HeidelBÄR Games. Hungry Monkey, das auf dem Klassiker Palace basiert, ist ein Kartenspiel, bei dem man durch einige Karteneffekte, die eigene verdeckte Auslage manipulieren kann.
Wir haben Erik einige Fragen gestellt:
- Dieses Jahr sind deine ersten beiden Spiele auf den Markt gekommen. Wie hast du als unveröffentlichter Autor dieses Kunststück vollbracht?
Ha ha! Ich besuchte die SPIEL 2019 und hatte in zweieinhalb Tagen mehr als 30 Treffen mit Verlagen. Ich zeigte den Verlegern einige meiner Prototypen (und einige von Freunden). Meine Hauptanliegen bei dieser Reise war es, mein Spiel Whirling Witchcraft bei einem Verlag unterzubringen, und das ist mir gelungen. Ein glückliches Beiprodukt dieser Reise war, dass ich viele nette Leute aus der Branche kennenlernte und mit einigen von ihnen in den folgenden Jahren in Kontakt blieb. Etwa ein Jahr später sprach ich mit HeidelBÄR Games über einen meiner Entwürfe, Collectors. Das Spiel war ihnen zu komplex und sie fragten mich, ob ich etwas Leichteres hätte. Ich zeigte ihnen sofort Hungry Monkey, was schließlich zu diesem zweiten Vertrag mit einem Verlag führte.
- Was ist deine Brettspiel-Geschichte? Wann hast du beschlossen, dass es an der Zeit für eigene Spiele ist?
Ich habe schon als Kind angefangen, Spiele zu entwickeln. Meine Eltern müssen wirklich viel Geduld gehabt haben, denn sie haben damals all diese Würfeln-und-Meeple-bewegen-Spiele ertragen. Seither spiele ich immer wieder Brett- und Rollenspiele gespielt. Vor etwa zehn Jahren hatte ich die verrückte Idee, ein Worker-Placement-Spiel mit gleichzeitiger Aktionsauswahl zu entwickeln. Und nachdem ich die schwedische Spieleautorengemeinschaft getroffen hatte, war ich süchtig. Jetzt fällt es mir schwerer, nicht ständig über Spiele nachzudenken, als über Spiele nachzudenken.
- Kannst du uns ein wenig über die Brettspielkultur in Schweden erzählen? Ist Spielen ein weit verbreitetes Hobby oder hauptsächlich etwas für Kinder und Familien?
Spielen ist ein wachsendes Hobby in Schweden. Lange Zeit war es für die meisten Menschen vor allem eine Familienangelegenheit, aber in den letzten 15-20 Jahren ist die Hobby-Gaming-Szene stetig gewachsen und es wird immer üblicher, Spiele zu spielen.
- Hast du Vorbilder was Brettspiele oder Spieleautoren betrifft?
Meine Lieblings-Brettspiel-Autoren sind Bruno Cathala und Reiner Knizia. Sie sind wahre Großmeister, aber ich könnte noch viele weitere Vorbilder nennen. Meine Leitspruch ist ‚Weniger ist mehr‘, denn als Autor bevorzuge ich Klarheit und kurze, aber ausgereifte Regeln. Meine Motivation gilt vor allem Party- und Familienspielen. Ich will Spiele für ein breites Publikum machen, denn Brettspielen ist ein Hobby für alle.
- Hungry Monkey ist in der Reihe „Radiant Culture“ von HeidelBÄR Games erschienen. Das Spiel hat ein indisches Thema und wurde von einem indischen Künstler illustriert. Hast du eine Verbindung zu Indien?
Das Thema von Hungry Monkey wurde während des Entwicklungsprozesses bei HeidelBÄR Games von meinem Tier-Thema auf das indische Tier-Thema umgestellt. Ich habe Indien bisher noch nicht besucht, aber ich hoffe, dass ich Indien sehen kann, bevor ich sterbe.
- Welches Spiel hat dich am meisten beeinflusst?
Das ist eine schwierige Frage! Ich liebe es, Spiele mit vielen verschiedenen Settings zu spielen! In meiner Familie haben wir gerne Deduktionsspiele gespielt, angefangen mit The Werewolves of Miller’s Hollow bis hin zu einer frühen Version von Der Widerstand. Unter meinen Freunden, die sich mehr für Spiele interessieren, haben wir in den letzten Jahren den Boom der Worker-Placement-Spiele wie Caylus und Agricola genossen, aber auch Spiele wie Pitch Car, die einfach Spaß machen. Aber wenn ich ein Spiel wählen müsste, das mich gelehrt hat, dass Spiele so viel mehr sein können, als ich mir je vorgestellt habe, dann ist es Drakborgen (wiederveröffentlicht als DungeonQuest von Games Workshop). Drakborgen war für mich als Kind nicht nur ein Spiel, sondern eine Welt, die es zu erforschen galt und ein Abenteuer, das es zu erleben galt. Ich habe daraus gelernt, dass Spiele alles sein können, was ich will. Wenn ich auf das Spiel zurückblicke, stelle ich fest, dass es bei weitem nicht perfekt ist, aber ich spiele es immer noch ab und zu gerne mit meinen Kindern.
- Beeinflusst die Entwicklung von Spielen die Art und Weise wie du als Journalist an Brettspiele herangehst?
Natürlich gehen diese beiden Rollen Hand in Hand: Ich lerne und entwickle mich durch diese beiden sich gegenseitig verstärkenden Aspekte weiter. Als Autor betrachte ich Spiele natürlich anders als ein klassischer Spieler und ich bekomme viel Feedback. Diese langjährige Erfahrung des Entwickelns und die extrem intensive Beschäftigung mit Spielmechanismen wirken sich natürlich auch auf die Art aus wie ich über Spiele spreche. - Hungry Monkey ist eine völlig neuer Version des klassischen Spielkonzepts von Shithead. Was ist das Besondere daran und wie bist du auf diese Idee gekommen?
Meine jüngere Tochter liebt es, Shithead zu spielen. Allerdings hatte sie eine Version gelernt, die mir nicht so gut gefiel. Also habe ich ihr vorgeschlagen, dass wir unsere eigene Version von Shithead machen. In unserer Version des Spiels schlug ich vor, dass auf jeder Karte ein Tier abgebildet sein sollte, und je größer der Wert der Karte, desto größer sollte das Tier sein. Uns beiden gefiel die Idee, dass eine Maus den Wert 1 und ein Elefant den Wert 10 hat. Da Elefanten angeblich Angst vor Mäusen haben, waren wir uns schnell einig, dass die Mäusekarten auch auf den Elefanten spielbar sein sollten. Und so war das Spiel mit dem Namen Big Bigger Mouse geboren. Meine Tochter schlug begeistert verschiedene Spezialeffekte für viele der Karten vor und wir probierten sie aus. Einige haben wir verworfen, andere haben wir behalten. Besonders gut gefielen uns die Spezialfähigkeiten, die die geheime Reihe veränderten. Wir haben das Spiel etwa eine Woche lang ein paar Mal durchgespielt. Es gefiel uns beiden, und meine Tochter zeigte es ihren Freunden, denen es auch gefiel. Langsam merkten wir, dass unser Remake nicht nur uns, sondern auch anderen gefiel. - Du bist Physiker. Beeinflusst dein Beruf die Art und Weise, wie du Spiele entwickelst?
Ja, das tut er. Der repetitive Prozess des Spieldesigns erinnert mich sehr daran, wie Experimente in der Physik durchgeführt werden: Man stellt eine Hypothese auf und testet sie. Dann macht man ein ähnliches Experiment und versucht es noch einmal. Das Gleiche gilt für das Testen mit immer neuen Anpassungen bei der Spieleentwicklung.
- Beim Spieletest wird die Logik der Spielmechanik getestet, die Ausgewogenheit der Effekte usw., aber man muss auch sicherstellen, dass die Spieler Spaß haben. Wie misst man einen so vagen Aspekt, und welche Schritte unternimmt man, wenn ein Spiel im Test nicht genug Spaß macht?
Das ist eines der Dinge, die ich als Spieleautor immer genauer beobachte. Ich mache mir Notizen, wenn meine Testspieler lachen. Warum haben sie gelacht? Ich mache mir Notizen, wenn sie mürrisch sind und warum sie mürrisch sind. Die Emotionen der Spieler werden für mich als Autor immer wichtiger, je mehr ich entwerfe. Ich freue mich auf meine kommenden Projekte, und denke dass diese Erkenntnisse bei diesen noch stärker zum Tragen kommen werden.
- Was ist dein persönliches Lieblingsspiel und was spielst du im Moment zum Spaß?
Ich habe Agricola so oft gespielt und liebe es bis zum Gehtnichtmehr. Ich habe es seit einem Jahr oder so nicht mehr gespielt. Aber es ist ein Spiel, das ich gerne langsam an einem Abend mit Freunden spiele. Zum Spaß habe ich in letzter Zeit ziemlich viel Spicy gespielt. Ich habe es auf der Spiel 21 erworben und war froh, dass Roland Goslar mir die Feinheiten des Spiels erklärt hat. Roland hat sowohl Spicy als auch Hungry Monkey entwickelt. Oh, jetzt sehne ich mich schon nach der Spiel 22! Ich habe so viele Prototypen, die ich allen Verlagen zeigen möchte, ich muss sie nur noch ein kleiiin wenig verbessern.
Juni, 2022.
Übersetzt aus dem Englischen von Sabine Machaczek