#04 Monatsbuch einer Lokalisations-Redakteurin
Nachdem euch Matthias jetzt bereits zweimal (> #01, > #02) von seiner Arbeit bei HeidelBÄR Games berichtet hat und zuletzt Roland Einblicke in die Entwicklung eines Spieles gegeben hat (> #03), ist es jetzt an mir, euch über meine Arbeit zu berichten. Ich bin Sabine, schon seit Heidelberger Spieleverlag-Zeiten Teil des Redaktionsteams, und mittlerweile als Head of Localization tätig. Das bedeutet, dass ich die Verantwortliche für alle deutschsprachigen Umsetzungen internationaler Spieleprojekte bin.
Von der Arbeit an Eigenentwicklungen unterscheidet sich diese Lokalisation vor allem in zwei Punkten: Man bekommt die Daten des englischen Spiels (normalerweise) komplett fertig von einem Partnerverlag geliefert und die Produktion findet zentral über den Partner statt.
Aktuell haben wir drei feste Partnerverlage – CGE, Horrible Guild und MeBo –, von denen wir normalerweise alle Spiele auf Deutsch umsetzen. Daher testen wir ihre Spiele im Vorfeld zwar, um hilfreiches Feedback beizusteuern, die sonst entscheidende Frage „Machen wir dieses Spiel überhaupt?“ fällt aber weg. Das macht es möglich, dass wir von unseren internationalen Partnern bereits im Vorfeld die Projektplanung des nächsten halben Jahres bekommen sowie einen Ausblick auf das komplette Jahr – meist per E-Mail, aber wenn möglich auch bei einem persönlichen Treffen.
Unicorn Fever wurde für mich zum ersten Mal in einer Besprechung mit Flavio, dem Production Manager von Horrible Guild, auf der Spiel 2019 konkret: Terminiert war das Spiel auf Januar 2020 (Datenlieferung von Horrible Guild) bis Februar 2020 (Datenabgabe). Doch natürlich geht die Arbeit bereits los, bevor die finalen Daten auf dem Tisch liegen. Zuerst habe ich einen externen Übersetzer gesucht, der da Zeit hat und uns aufgrund von nicht finalen Vorschau-PDFs der Spieldaten einen Kostenvoranschlag erstellt. Eine Besonderheit bei Unicorn Fever war, dass es ein vom Umfang her recht überschaubares Projekt war, sodass wir es nutzen konnten, um eine uns bisher unbekannte Übersetzerin ausprobieren. An dieser Stelle vorweg: Der Test war erfolgreich und wir waren sehr zufrieden mit Lisa. 🙂
Parallel stellte ich ein Korrekturteam zusammen, was diesmal schon fast von alleine ging, da sich einige unserer externen Korrekturleser bereits am Tag der Ankündigung des Spiels von Horrible Guild bei mir gemeldet hatten, dass sie gerne im Team wären. Zur Arbeit mit dem Korrekturteam später mehr.
Bis zum Tag der Datenlieferung blieb dann nur noch die Entscheidung über den Titel zu fällen. Bei den Lokalisationsprojekten ist diese Frage selten ganz einfach, denn einerseits soll die Schachtel als deutschsprachig erkennbar sein, aber andererseits soll das Spiel für Leute, die den englischen Titel kennen erkennbar bleiben, also auch nicht zu stark vom Original abweichen. Bei HeidelBÄR Games nutzen wir daher verschiedene Varianten, um das Cover einzudeutschen: die Übersetzung des Haupttitels, das Hinzufügen eines deutschen Untertitels, das Hinzufügen von „Deutsche Ausgabe“ oder eine Kombination.
Bei Unicorn Fever war „Regenbogenfieber“ recht schnell aus dem Rennen, weil von Anfang an feststand, dass es eine multilinguale Erweiterung gibt, deren Titel Unicorn Fever – Royal Hooves wir nicht beeinflussen konnten. Und wir wollten nicht, dass das Hauptspiel einen komplett abweichenden Namen trägt. Also ging das Untertitel-Brainstorming los, an dem sich unser internes Team, die Übersetzerin sowie das Korrekturteam beteiligten. Die endgültige Wahl traf ich dann nach kurzer Rücksprache mit unserem Verlagschef Heiko und unserem Marketing Manager Michael.
Unsere Grafikerin Annika durfte diesen Untertitel dann sobald die Daten eingetroffen waren in Windeseile auf dem Cover platzieren, sodass wir das Bildmaterial zur offiziellen Ankündigung der deutschsprachigen Version erstellen und online stellen konnten. Und natürlich leitete ich die Daten – nachdem ich sie neu für die Arbeit mit einem Übersetzungsprogramm abgespeichert hatte – noch am selben Tag an die Übersetzerin weiter.
Innerhalb der nächsten 2 Wochen übersetzte Lisa die sprachrelevanten Spielkomponenten (Spielregel, Karten und Boxrückseitentext). Dafür erstellte sie zuerst einmal ein Übersetzungsglossar, das ich dann kommentierte, wodurch sichergestellt war, dass wichtige Spielbegriffe von Anfang an korrekt benannt waren. Inhaltliche Fragen konnte ich ihr zum Teil selbst beantworten, da wir in der Zwischenzeit den Prototypen beim Verlagsspieleabend gespielt hatten. Fragen von ihr und mir, die darüber hinaus gingen, leitete ich an Horrible Guild weiter, die diese gerne beantworteten und in Folge sogar einige Umformulierungen an der englischsprachigen Version vornahmen.
Sobald die Übersetzung fertig war, setzte sich Annika ans Layout. Die Übersetzung wurde wie kurz erwähnt mit einem layoutfähigen Übersetzungsprogramm gemacht, das heißt in jedem Textkasten, wo vorher englischer Text stand, war nun bereits deutschsprachiger Text. Da die deutsche Übersetzung eines englischen Textes aber normalerweise um ca. ein Viertel länger ist, entstand dabei Übersatztext (Text, der nicht mehr in den Textrahmen passt) – Annika durfte nun also Layout-Magie wirken und den Text u. a. passend zaubern.
Anschließend übernahm ich das Lektorat, prüfte die Texte also auf Verständlichkeit, Regellücken, Rechtschreibung und Grammatik. Hier ging ich außerdem alle Karten noch einmal durch und ersetzte alle Titel, die ich lahm fand, durch neue, möglichst lustige Kartentitel. Und erneut gingen die Daten an Annika, diesmal zum Layout-Feinschliff (Ausgleich von optischen Textlücken etc.).
Dann kam schließlich die Zeit für das externen Korrekturteam: Dieses besteht aus (freiwilligen) Helfern, die uns unterstützen, einfach weil sie gute Spiele noch besser machen wollen. In diesem Korrekturteam waren drei Personen, die unter „Besonderer Dank an“ in den Credits Erwähnung finden. Merci!
Ich schickte ihnen PDFs des kompletten Spiels, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Sie machten dann PDF-Anmerkungen bei Rechtschreib- und Layoutfehlern, bei inhaltlichen Abweichungen zum englischen Original und an Stellen, wo sie die Regel unverständlich oder zu umständlich formuliert fanden.
Diese Anmerkungen arbeitete ich dann ein, genau passend, um Unicorn Fever beim Spieleabend erneut auf den Tisch zu bringen, diesmal mit der „finalen“ Übersetzung. Denn natürlich gab es anschließend noch einmal ein paar kleine Änderungen. Diesmal hauptsächlich aufgrund von Regeln, die gerne übersehen werden und die ich daher noch einmal hervorgehoben habe.
Anschließend erzeugte ich die finalen Druckdaten nach Vorgabe der Druckerei und schickte sie an Horrible Guild, welche diese an die Druckerei übermittelten und mir einige Zeit später deren Druck-Proofs zuschickten.
Anhand der Proofs habe ich dann die Endkontrolle gemacht: Sind die Kartenvorderseiten passend zu den Rückseiten auf dem Druckbogen angeordnet? Haben alle Daten den richtigen Anschnitt? Haben sich irgendwelche anderen Fehler eingeschlichen (ist z.B. irgendwo eine fremdsprachige Karte – bei gleichzeitiger Produktion mehrerer Sprachversionen kann das schon mal vorkommen)?
Als ich alles überprüft und für gut befunden hatte, gab ich die Daten schließlich für den Druck frei. Erscheinen wird Unicorn Fever dann im Herbst, aber mit Logistik und Vertrieb habe ich direkt dann nichts mehr zu tun.
Auf meinem Schreibtisch kommt das Spiel erst wieder, wenn die erste Auflage (fast) ausverkauft ist, und es zum Nachdruck kommt. Und da man trotz aller oben beschriebenen Korrekturschritte bei der Erstauflage fast immer irgendetwas übersieht, ist jeder Nachdruck eine Chance Fehler auszubessern. Wenn euch also irgendwelche Fehler auf den Karten oder in der Regel auffallen, dürft ihr mir diese sehr gerne über info@heidelbaer.de mitteilen. Die kommen dann in die „Bei Reprint beachten“-Liste, die ich für jedes unserer Spiele führe.
In der Realität finden natürlich immer einige Projekte parallel statt, und wie in jedem kleinen Team fallen zusätzlich noch Aufgaben aus ganz anderen Bereichen an, sodass das hier kein Monatsbuch im eigentlichen Sinne ist. Dennoch hoffe ich, ihr konntet anhand dieses Projektbeispiels einen guten Eindruck von der Lokalisationsarbeit gewinnen.
Viel Spaß beim Spielen!
Sabine