INTERVIEW: Spartaco Albertarelli

Spartaco Albertarelli, 1963 in Mailand geboren, ist ein Spieleautor mit mehr als 130 veröffentlichten Spielen. Viele wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und werden von verschiedensten Verlagen vertrieben wie Ravensburger, Fantasy Flight, Gigamic und jetzt auch HeidelBÄR Games. Das Partyspiel TAGS basiert auf dem preisgekrönten Spiel Category von 1995.

Wir haben Spartaco einige Fragen gestellt:

  • Was ist das erste Spiel, an das du dich erinnerst?
    Mein allererstes Spiel war The Battle of Waterloo vom berühmten italienischen Comiczeichner Guido Crepax. Das Spiel wurde 1965 in einem Magazin veröffentlicht und mein Vater hatte die komplette Sammlung dieses Magazins. So entdeckte ich es Jahre später als Kind und war fasziniert von den außergewöhnlichen Papp-Soldaten.
    Später ging ich mit dem Sohn von Crepax zur Schule und hatte das große Vergnügen und das Privileg, mit den Originalteilen spielen zu dürfen, die sein Vater handgemacht hatte. Die Schachteln mit diesen Papp-Soldaten besitze ich noch immer …
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  • Wie viele Stunden pro Woche verbringst du mit dem Spielen von Brettspielen?
    Viele … aber die Frage ist extrem schwierig zu beantworten. Ein professioneller Brettspielautor zu sein bedeutet nämlich auch, dass man oftmals nicht mehr wirklich „spielt“. Da man von einem Spielkonzept angetrieben ist, von einer originellen Spielidee, ist man mehr auf die Reaktionen der Spieler fokussiert als auf das eigentliche „Spielen“. Außerdem lese ich Spielregeln auch oft, ohne das Spiel zu spielen.
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  • Kannst du noch einfach so zum Spaß spielen, oder musst du die ganze Zeit an Spielmechaniken und so weiter denken?
    Ich würde gerne sagen können, dass ich noch immer aus Spaß spiele, aber in Wahrheit sind meine Gedanken ununterbrochen am Analysieren der Spielmechanik und meine Aufmerksamkeit gilt hauptsächlich den Reaktionen der Spieler.
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  • Bist du ein Brettspiel-Sammler? Hast du Hobbys neben dem Brettspiel?
    Nein, ich bin kein Sammler. Ich behalte nur die Spiele, die ich auch gerne spiele. Falls ich ein Spiel nicht mehr spiele, mag ich es auch nicht mehr im Regal haben.
    Spezielle Hobbys habe ich keine. Ich bin eine sehr neugierige Person und bin daher jedes Mal, wenn ich etwas Neues entdecke, davon fasziniert, allerdings nur, weil ich verstehen will, wie es funktioniert. Früher spielte ich regelmäßig Fußball, auf recht hohem Niveau, aber heute bin ich zu alt dafür.
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  • Mark Twain hat einmal gesagt, es gibt keine neuen Ideen, sondern nur Kombinationen bereits existierender Ideen. Was sagst du dazu?
    Ich kann dem guten alten Mark nur zustimmen! Brandneue Ideen können in der modernen Brettspielentwicklung an einer Hand abgezählt werden. Der Grund dafür ist einfach: Wir nutzen immer wieder die gleichen Grundkomponenten; Bretter, Marker, Würfel, Karten und so weiter. Manchmal ersetzen wir eine dieser Grundkomponenten durch eine ausgeklügelte, weiterentwickelte Alternative, aber die Hauptfunktionen bleiben die gleichen. Wir bewegen oder platzieren etwas irgendwohin, folgen einem Muster aus Zahlen oder Formen, generieren zufällige Zahlen, kreieren Kombinationen aus Farben, finden eine Zielstrategie und so weiter. Wir mischen die gleichen Zutaten zu neuen Kreationen, wie Sterneköche, aber niemand von uns erfindet dabei die Kartoffel neu.
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  • Gibt es eine bestimmte Art Spiele, die du besonders liebst oder geradezu hasst?
    Ich stamme aus einer alten Spielergeneration, die es mag zu spielen, um zu gewinnen. Obwohl Gewinnen nicht der Hauptgrund ist, aus dem ich spiele, mag ich kooperative Spiele nicht besonders. Andererseits bin ich keine Person, die sich ständig messen will, daher mag ich abstrakte Zwei-Personen-Spiele ebenfalls nicht, denn ich spiele hauptsächlich, um mit anderen Spielern zu interagieren. Nichtsdestotrotz gehören Quarto und Les Poilus zu meinen absoluten Lieblingsspielen … also nein, ich „hasse“ keine Spieletypen.
    Im Gegenzug liebe ich keinen Spieletyp besonders. Ich liebe die Menschen, mit denen ich spiele; wenn es also ein Spiel gibt, das ihnen gefällt, dann ist das das Spiel, das ich liebe (zumindest für diesen einen Abend).
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  • Wie würde ein perfektes Brettspiel aussehen?
    Perfektion gibt es nicht. Ein Spiel kann perfekt für eine Gruppe an Spielern sein und absolut langweilig für eine andere Gruppe.
    Rein theoretisch gesehen hat ein Spiel eine gute Chance „perfekt“ zu sein, wenn der Gewinner sagen kann „Ich war der Beste“ und die anderen sagen können „wir hatten einfach nur weniger Glück“.
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  • Hast du neben dem Erfinden von Brettspielen noch immer einen Hauptberuf ?
    Mein Hauptberuf ist die Arbeit an Brettspielen und das war auch mein allererster Job. Ich war Produktmanager von Spielen wie Monopoly oder Dungeons and Dragons, bevor ich meine ersten eigenen Spiele erfunden habe. Bevor ich meine Karriere in der Brettspielbranche begonnen habe war ich Journalist, aber das habe ich schnell hinter mir gelassen, um Vollzeit an Brettspielen zu arbeiten.
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  • Welches deiner eigenen Spiele magst du am liebsten?
    Wenn du ein professioneller Spieleautor bist, gilt das Hauptinteresse dem Spaß, den Leute beim Spielen deiner Spiele haben. Es ist daher sehr schwierig, einen Favoriten zu benennen, aber wenn man mich mit vorgehaltener Spielzeug-Pistole zu einer Wahl zwingen würde, würde ich sagen Coyote, weil es vermutlich das „blödsinnigste“ meiner Spiele ist und das mit den meisten verschiedenen Versionen in aller Welt. Aber wenn ich die gleiche Frage nächstes Jahr beantworten würde, könnte ich genauso gut VektoRace sagen; nicht weil es mein neuestes Spiel ist, sondern weil es sich in eine sehr seltsame und lustige Richtung entwickelt hat und ich wirklich neugierig bin zu sehen, wohin mich das Spiel in der Zukunft bringen kann.

  • Kannst du es ertragen, deine eigenen Spiele zu spielen, nachdem sie veröffentlicht worden sind?
    Ja, das kann ich. Natürlich nicht alle, aber ich mag es, Spieleveranstaltungen zu besuchen und meine Spiele zu spielen ohne zu sagen, dass ich der Autor bin. Es ist eine wunderbare Erfahrung, die stets eine unglaubliche Menge an nützlichem Feedback gibt.
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  • TAGS basiert auf dem preisgekrönten Spiel Category von 1995. Was war deine spontane Reaktion als Harald, der Geschäftsführer des Heidelberger Spieleverlags, dich auf eine überarbeitete Neuauflage angesprochen hat?
    Ich habe mich ehrlich gefreut zu sehen, dass eine „alte“ Idee noch immer ihren Wert hat und veröffentlichungswürdig ist. Ich fand das Spielkonzept schon immer sehr gut, aber natürlich hat es einiger „Modernisierung“ benötigt, und ich bin wirklich glücklich mit der Arbeit, die Haralds Team geleistet hat. Wenn ich die Spielschachtel anschaue, erinnere ich mich an einen sehr guten Freund und eine große Persönlichkeit in der Brettspielbranche. Außerdem bin ich sehr stolz darauf, dass es das erste Spiel ist, das beim HeidelBÄR erscheint.
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  • Was magst du am meisten an der Brettspielbranche? Was magst du am wenigsten?
    Ich mag das Gefühl, dass jedes Jahr ein komplett neues zu sein scheint. Wir glauben alle etwas komplett Neues zu kreieren und falls etwas im Vorjahr schief gegangen ist, nun, dann ist heute ein neues Jahr … ich habe eine Menge guter Freunde in der Spielebranche und ich mag das Gefühl, Teil eines Marktes zu sein, der von ehrlichen Menschen betrieben wird. Ich fühle eine große Kameradschaft zwischen vielen der Menschen, die in dieser Branche arbeiten.
    Was ist nicht mag ist die „Selbstgefälligkeit“, die in den letzten Jahren zugenommen hat. Ein Spieleautor zu sein ist toll, aber wir entwickeln nicht das Heilmittel gegen Krebs. Wenn ich einen Spieleautor sehe, der einer normalen Arbeit nachgeht und hobbymäßig Spiele erfindet, aber zu einer Veranstaltung mit einem Trolley voller Prototypen kommt, kann ich nicht aufhören mich zu fragen „Wann hast du die Zeit gefunden, die alle zu testen?“ Dann zeigt er dir die millionste Variante von Memory und preist sie als „brillantes neues Konzept“ an. Das ist etwas, das es vor einigen Jahren nicht gegeben hätte, aber es zeigt auch, dass der Markt wächst und das ist gut.
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  • Wenn du 10 Millionen Dollar gewinnen würdest, was würdest du ändern?
    Ein Haufen Geld, um einige gute Spiele einfach nur aus Spaß daran zu machen, ohne an Stückzahlen zu denken oder sich an ein „Business Model“ zu halten. Ich wäre glücklich damit, meinem Alltagsjob weiter nachzugehen, ohne die alltäglichen Sorgen.

Januar, 2019.
Übersetzt aus dem Englischen von Sabine Machaczek