
Designer Diary: Cóatl
Vom 6.3. bis zum 25.3. war nach dem aztekischen Kalender das Schlangenfest. Quetzalcoatl ist eine der wichtigsten Gottheiten der Azteken und hat die Form einer gefiederten Schlange.
In unserem letzten Beitrag, Interview zu Cóatl – Das Kartenspiel, haben wir euch einige Einblicke in die Entwicklung von Cóatl – Das Kartenspiel gegeben. Heute möchten wir mit dem Designertagebuch von Cóatl die Aufmerksamkeit auf das Brettspiel richten.
In den letzten zehn Jahren haben Brettspiele einen explosionsartigen Anstieg an Komplexität, Kreativität und Zugänglichkeit erlebt. Spiele werden in Rekordtempo entwickelt, und obwohl nicht alle von ihnen exzellent sind, steigt die Zahl der guten und fesselnden Titel, die jedes Jahr erscheinen, stetig an. Als relativ neues Verlagshaus hat Synapses Games die Möglichkeit, Spiele zu finden, die außerhalb des traditionellen Rahmens funktionieren. Ihre erste Veröffentlichung, Incubation, ist ein schnelles, lustiges Familienspiel, bei dem es darum geht, Dracheneier zu sammeln und auszubrüten, um Belohnungen zu erhalten. Anfang dieses Jahres folgte das strategische Geschicklichkeitsspiel Crazy Tower.
Die dritte Veröffentlichung von Synapses Games ist im Herbst 2020 erschienen und sorgte für viel Aufsehen. [Mittlerweile sind viele weitere spannende Titel von Synapses Games erschienen. Hier findet ihr sie in unserem Online-Shop. Anm.d.R]
In Cóatl wetteifern die Spieler darum, der nächste Hohepriester der aztekischen Welt zu werden, indem sie wertvolle gefiederte Schlangen schnitzen. Durch das Verbinden von verschiedenfarbige Kopf-, Körper- und Schwanzsegmente, können sie Tempel- und Prophezeiungskarten erfüllen und Punkte sammeln. Das Spiel ist schnell zu lernen, bietet aber dennoch eine Menge Abwechslung und Strategie.
Cóatl ist das erste Spiel von Pascale Brassard und Etienne Dubois-Roy. Wir haben mit den beiden über ihren Prozess und ihre Erfahrungen bei der Umsetzung des Spiels geplaudert.
“Wir hatten schon seit einiger Zeit die Idee, gemeinsam ein Brettspiel zu entwickeln. Als Hobby, anstatt fernzusehen. Vor Cóatl hatten wir zwar ein paar Ideen, aber nichts, was uns so motiviert hätte, dass wir uns wirklich zusammengesetzt hätten, um ein Brettspiel zu entwickeln. Cóatl war wirklich unser erster Brettspielentwurf”, erklärt Brassard.
Eines der attraktiven Elemente des Spiels sind die dicken, klobigen Schlangensegmente, die die Spieler erwerben, um ihre Cóatl zu bauen. Brassard und Dubois-Roy ließen sich bei ihren ersten Konzepten von der Idee leiten, haptische Designs zu entwerfen.
“Die allererste Idee für Cóatl war es, “Schlangen aus verschiedenen Teilen zusammenzusetzen”. Sobald Etienne von dieser Idee erfuhr, fügte er die Idee hinzu, dass einige Karten mit Farbmustern die Richtung für den Bau der Schlangen vorgeben könnten. Auch wenn die Komponenten noch nicht entwickelt waren, waren sie bereits Teil der Idee.
Wie die meisten Prototypen durchlief auch Cóatl viele verschiedene Versionen, bevor das finale Design schließlich auf dem Tisch landete. Während des Prozesses experimentierte das Designteam mit vielen Komponenten, bevor es sich für das endgültige Design entschied.
“Bevor wir uns die Zeit nahmen, ein 3D-Modell der verschiedenen Schlangenteile anzufertigen, entwarfen wir schnell einige Karten und probierten die Spielmechanik mit Legosteinen aus, die wir aneinanderreihten”, erinnert sich Brassard.
“Wir waren sofort sehr begeistert von dem Spiel. Das Potenzial des Spiels erschien uns sehr groß und wir waren sehr motiviert, das Design weiterzuverfolgen. Ich entwickelte ein flacher Körperteil und druckte ein paar davon in 3D, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Teile zusammen bewegen. Die erste Version ließ sich nur auf einer Seite zusammenstecken (nicht umkehrbar). Die zweite Iteration wurde verbessert, indem ich der 3D-Schlange eine Form gab und das Ende so modifizierte, dass es auf beide Seiten passte.”
Das Designteam wollte Komponenten schaffen, die nicht nur gut aussehen, sondern sich auch wie eine Schlange auf dem Tisch bewegen und schlängeln. Glaubt mir, es ist unmöglich, während der Spiels nicht mit den Cóatls zu spielen.
“Allerdings war die Bewegung der Schlange anfangs etwas zu eingeschränkt. Außerdem war zu dieser Zeit das aztekische Thema noch nicht entwickelt, sodass die Schlangen keine Federn hatten und der Kopf und der Schwanz sehr einfach waren. In der letzten Version wurden die Federn, der Kopf und der Schwanz des QuetzalCóatl hinzugefügt, und der zulässige Drehwinkel zwischen den beiden Teilen wurde vergrößert, um diese großartige Wellenbewegung zu erzielen.”
Nach der Festlegung des Themas war es sowohl für Brassard als auch für Dubois-Roy sehr wichtig, das Thema zu recherchieren und sicherzustellen, dass alle Elemente respektvoll und richtig sind.
“Etienne hat einen Master-Abschluss in Geschichte, daher ist ein genauer historischer Hintergrunds für ihn sehr wichtig. Alle Elemente des Spiels wurden so entwickelt, dass sie zur aztekischen Kultur passen”, sagt Brassard.
“Eine lustige Anekdote über Cóatl ist, wie wir auf den Namen des Spiels gekommen sind. Wir entwickelten das Spiel rund um Schlangen und suchten nach einem Titel, der sowohl ins Französische als auch ins Englische passen würde. Ich habe versucht, Wörter aus dem Bereich “Schlange” zu finden und bin auf “Asclepios” gestoßen. Etienne fand, dass das nicht gut passte, weil er dachte, dass dieser Gott zwar manchmal mit einer Schlange dargestellt wird, aber das hat nicht so viel mit dem Thema zu tun. Das brachte ihn jedoch dazu, darüber nachzudenken, um welchen Schlangengott es sich handeln könnte, und QuetzalCóatl kam ihm sofort in den Sinn. Sein Gesicht erhellte sich, und ich teilte sofort seine Begeisterung. Wir waren so glücklich, das Thema und den Namen des Spiels gefunden zu haben, dass wir eine zweite, super-motivierte Entwurfsphase hatten, die einige Monate dauerte. Viele Funktionen des Spiels wurden hinzugefügt, weil wir uns an das Thema halten wollten, und viele Funktionen wurden aus demselben Grund verfeinert.”
Das Designteam, das zum ersten Mal dabei war, hat gut zusammengearbeitet, aber wie bei jedem kreativen Projekt, gab es auch Probleme, die überwunden werden mussten. Für Brassard und Dubois-Roy haben die vielen Ideen den Prozess sogar erschwert.
“Eine der größten Herausforderungen bei der Arbeit am Spiel selbst war es, sich auf die Hauptelemente zu konzentrieren. Es ist einfach, Features, Karten, Sonderaktionen, Boni und Umgehungslösungen für ein bestimmtes Problem hinzuzufügen. Aber dann verliert das Spiel seinen Kern und der Spaß wird durch unnötige Ablenkungen zunichtegemacht. Wir mussten es so einfach wie möglich halten und uns auf das konzentrieren, was den Kern des Spiels ausmacht”, so Brassard.
Abgesehen von der eigentlichen Gestaltung können die alltäglichen Gegebenheiten die Arbeit an einem Projekt erschweren. Die meisten Designer können ihren Beruf nicht Vollzeit ausüben und sind daher gezwungen, sich Zeit für den kreativen Prozess zu nehmen.
“Eine weitere große Herausforderung bei der Arbeit an dem Projekt war es, unsere Arbeit, unsere Familie mit drei Kindern und all die verschiedenen Veranstaltungen zur Vermarktung unseres Spiels unter einen Hut zu bringen. Die Veranstaltungen finden oft an den Wochenenden statt, und wir mussten jemanden finden, der auf unsere Kinder aufpasst, während sie sich darüber beschwerten, dass wir immer weg waren.”
Wenn man zum ersten Mal ein Spiel entwickelt, kann es verlockend sein, ein komplexes Meisterwerk zu schaffen, wie ein junger Autor, der beim ersten Versuch einen großen Roman schreiben will. Das Team hinter Cóatl hatte einen anderen Ansatz.
“Cóatl ist einfach, aber mit seinem einzigartigen Material wunderschön und ist ein Spiel für jeden. Unsere größte Hoffnung ist, dass es ein echter Hit für Gelegenheitsspieler und Familien wird und ein großartiger Füller für Gamer wird. Die Strategie ist leicht zu verstehen und es macht Spaß, es zu spielen.
Brassard und Dubois-Roy fanden, dass eines der lohnendsten Elemente des Prozesses darin bestand, dass sie es gemeinsam zu Ende bringen konnten.
“Zu zweit in diesem Abenteuer zu sein, war ein echter Vorteil. Wir konnten die Idee unseres Partners viel schneller hinterfragen und unterstützen, als dies allein möglich ist. Es war auch sehr vorteilhaft, eine weitere Person zu haben, um das Tempo und die Motivation aufrechtzuerhalten.”
Hier könnt ihr das Interview im Original nachlesen.
Übersetzung: Tim Nissel
Coatl ist von Pascale Brassard, Etienne Dubois-Roy und für 1 bis 4 Spieler. Das Brettspiel enthält 150 Cóatl-Segmente, 54 Prophezeiungskarten, 15 Tempelkarten, 1 Vorratstafel, 4 Spielertäfelchen, 12 Opferplättchen, 3 Vorratsbeutel, 1 Startspielermarker, 1 Spielregel (deutsch + englisch), 1 Soloregel (deutsch + englisch).
Cóatl ist von Synapses Games und wurde auf Deutsch von HeidelBÄR Games veröffentlicht.